Ihre Browserversion ist veraltet. Wir empfehlen, Ihren Browser auf die neueste Version zu aktualisieren.

Wie wäre es mit der Wahrheit?

Veröffentlicht am 26.04.2018

VW hat die Chance von „Dieselgate“ nicht genutzt


Jeder, der arbeitet, weiß: Berufung gut und schön, aber irgendwann muss sich das Ganze rechnen. Das geht bis ins Private. Jede Familie ist letztlich auch eine Firma, bei der Geld reinkommen muss. Wenn nun ein Weltkonzern wie VW dank manipulierter Dieselmotoren, die ja nur zur Steigerung oder Wahrung der Verkaufszahlen manipuliert wurden, Farbe bekennen muss, wird klar: Auch bei VW geht es in erster Linie ums Geld. Eine Binsenweisheit, nicht nur für Aktionäre.


Erstaunlicherweise ist davon in der Kommunikation des Konzerns überhaupt nicht die Rede, Rechtsberatung hin oder her. Stellen Sie sich einmal vor, der VW-Konzern hätte die beispiellose Krise dazu genutzt, um frank und frei zu verkünden: „Ja, wir haben die Motoren manipuliert, weil wir uns anders nicht zu helfen wussten und weiterhin viele Autos verkaufen wollten.“

Ein solch offenes Bekenntnis wäre ein Paukenschlag gewesen. Ein Raunen wäre durch die Wirtschaftspresse gegangen, gepaart mit, was sonst, Verständnis. Stattdessen wiegelt die Konzernspitze ab. Weiter behaupten die Vorstände, von den Manipulationen nichts gewusst zu haben, obwohl diese ja vor allem dazu dienten, die Absätze zu steigern. Von der „schmutzigen Arbeit“ für dieses oberste Ziel der Geschäftsleitung soll ausgerechnet einer nichts gewusst haben: die Geschäftsleitung.

Was wäre passiert, wenn VW sich zur Wahrheit bekannt hätte. „Ja, wir haben manipuliert. Ja, es ging uns nur ums Geld.“ Was für ein Neuanfang wäre möglich gewesen! Womöglich hätte ein Umkrempeln der kompletten Marketingstrategie stattfinden können, auch ein Versöhnen mit Kritikern. VW hätte sich als erster Weltkonzern präsentieren können, der rücksichtslos zu einer neuen Rücksicht, zu Wahrheit und Wahrhaftigkeit steht. Für eine offene und umsichtige Kommunikation, was internationale Probleme und Herausforderungen anbelangt. Für ein neues Management, für einen neuen Umgang mit Kunden und der Öffentlichkeit.

Die neue Social-Media-Welt macht Konzerne gläserner denn je. Im stillen Kämmerlein an Tricks zu tüfteln, um Behörden oder Verbraucher arglistig zu täuschen, wird immer schwieriger, um nicht zu sagen unmöglich. VW also hätte die Chance gehabt, zu sagen: „Ja, wir haben verstanden. Wir nutzen diesen schlimmen Skandal, um positiv und ehrlich in die Zukunft zu gehen.“ Und das wäre dann das gewesen, was der Amerikaner Robert M. Tomasko einmal „Aufbruch zu neuer Größe“ nannte.

So aber haben sich die Fronten weiter verhärtet und die Firma betreibt ihre Kommunikation ähnlich wie die seinerzeit zu dreckigen Dieselmotoren. Die Folge: Die Riege der Autokritiker steht angriffslustiger denn je da, die Chefs von VW werden weiter als Lügner gebrandmarkt, die Aufklärung läuft schleppend. Der Schaden reicht bis zur Arbeitsmoral der Angestellten, die „ihrem Konzern“ zunehmend misstrauen und in den Bossen oben nur ängstliche Taschenvollstopfer sehen. Von der Berufung ist nur noch der Beruf geblieben. Von einem außergewöhnlichen Konzern nur ein Konzern.

(Rüdiger Schmidt-Sodingen)

Say the Right Thing - Erfolgreiche Krisenkommunikation