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Veröffentlicht am 19.01.2023

 Nachrichten schnell erfassen? Das war einmal.




Haben Sie neuerdings beim Medienstudium auch das Gefühl, dass Ihnen bewusst Dinge vorenthalten werden, um Sie zum Weiterlesen zu zwingen?

Wo es früher beispielsweise hieß:

„Elon Musk will als Twitter-Chef abdanken, wenn Nachfolger gefunden ist“

heißt es heute:

„Elon Musk will als Twitter-Chef abdanken – unter einer Bedingung“

Bei der ersten Schlagzeile wusste man auf den ersten Blick, was los ist, und konnte, wenn man nichts Näheres wissen wollte, umblättern oder weiterscrollen.

Heute bauen die Nachrichten bewusst „Baiting“, also Köder, in ihre Schlagzeilen ein, um Leser:innen praktisch zum Weiterlesen oder -klicken zu zwingen.

Das Resultat: Wir verbringen mehr Zeit mit Lesen – was ja gut sein könnte. Da unser Zeitbudget aber nun mal endlich ist, hat diese neue Art von Nachrichten mehrere unschöne Nebeneffekte.
 
Einmal sind Nachrichten nun offenbar nicht mehr zur schnellen, sondern zur umständlichen Information bestimmt. Die Kunst des „Auf-den-Punkt-Formulierens“ wird ins Gegenteil verkehrt. Medienseiten mutieren zu obskuren „Ich weiß etwas, was du nicht weißt“-Ansammlungen, die den Schluss erst in einem längeren Text verraten wollen.
Dazu lenkt die bewusste Ausklammerung oder Verzögerung von Informationen uns von der Beschäftigung mit wichtigeren, um nicht zu sagen eigenen Themen ab. Statt den Blick der Leserschaft zu weiten und möglichst viele verschiedene Themen anzubieten oder auch einen frohen „Fertiggelesen!“-Ausruf zu ermöglichen, werden Medienkonsumenten mit „Baiting“-Tricks bewusst in bestimmten News-Blasen gefangen gehalten.

Wohl dem also, der sich durch endlose Köder-Taktiken nicht von seinen eigenen Lebens-Themen abbringen lässt. Und der abends statt „Bin 5 Minuten später da“ nicht sagt: „Ich bin da – mit einem wichtigen Unterschied“. 

(Rüdiger Schmidt-Sodingen)