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"Sei besser als der Besserwisser!"

Veröffentlicht am 02.01.2018

Warum öffentliche Kommunikation nur mit Bildung funktioniert 

Vor Jahrzehnten lief das alles einfacher. Unternehmen hatten eine Abteilung für Presse- und Öffentlichkeitsarbeit. Ein paar Pressemeldungen raushauen, Kundenbriefe beantworten, fertig. Ging mal eine Antwort daneben, landete das bei der RTL-Show „Wie, bitte?“ Im Zeitalter von Facebook und Co. kommunizieren plötzlich alle wild durcheinander. Binnen Minuten kann sich eine unglückliche Antwort auf eine Kundenanfrage oder –beschwerde als Bumerang erweisen. Ungeschickte Antworten werden öffentlich gemacht, von anderen UserInnen kommentiert und entfachen nicht selten einen Shitstorm, der plötzlich an den Grundfesten der Firma rüttelt. Die Kundenkommunikation, von einigen Chefs jahrelang mild belächelt, hat Hochkonjunktur. Doch wie und wie oft soll man sich äußern, was genau soll man sagen oder fragen? Schwierig wird es schon, wenn die Bewertungsseite auf Facebook mit schlechten Bewertungen überschwemmt wird, und sich die Firma entschließt, diese Meinungen zu ignorieren und nur Höchstbewertungen mit einem „Danke und viele liebe Grüße“ zu versehen.

„Ein kapitaler Fehler“, so ein Werber unlängst bei einem Kommunikationstraining für Social-Media-Mitarbeiter. „Es ist ja gerade der Witz, dass man sich den Kritikern stellt und Rüstzeug da hat, um mit denen, die von einem Produkt oder einer Dienstleistung enttäuscht wurden, ins Gespräch zu kommen. Was genau war schlecht, wie kann man den Kunden womöglich neu gewinnen und verblüffen? Wer nur mit den glücklichen Käufern zu tun haben will, kann seinen Laden gleich zu machen. Er hat auch die Möglichkeiten von Social Media nicht verstanden.“ Ein anderes Problem stellen die aktiven Postings einer Firma dar. Wie oft soll man etwas posten? Zu was genau möchten Leute etwas lesen oder wissen? „Auch hier“, so der Kommunikationsprofi, „gibt es viele Fallstricke. Man sollte als Marke, selbst wenn man gerade ganz angesagt ist, nicht jeden Tag einen Post raushauen. Andererseits muss man auch in der Ausdrucksweise Geschmack und Stil beweisen. Von Falschmeldungen oder Schreibfehlern ganz zu schweigen.“  

Das Verblüffende beim neuen Rauschen im virtuellen Blätterwald ist, dass als Social-Media-Mitarbeiter, die aktiv posten und eine Marke durchs Web steuern, Leute mit einer breiten Allgemeinbildung gefragt sind. „Das Traurige ist: Es mangelt an guten Umgangsformen, Geschmack und auch Weiterbildung. Eigentlich können diesen verantwortungsvollen Job nur Leute machen, die einerseits mit beiden Beinen fest auf der Erde stehen und andererseits Lust haben, täglich neues zu erfahren, und gerne mit Leuten diskutieren und reflektieren. Und eine gewisse Erzähllust sollte auch vorhanden sein.“ Anders gesagt: Die, die an den Hebeln der Facebookseite sitzen, sollten genau das Gegenteil der Internettrolle, sprich der vorwiegend männlichen Bescheidwisser, Schimpfer und Rassisten, sein. Also nix „Fight Fire with Fire“, sondern eher „Sei besser als der Besserwisser“.

(zuerst erschienen in choices 01/2018)

(Rüdiger Schmidt-Sodingen)

Say the Right Thing - Erfolgreiche Krisenkommunikation